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von John Connell

Noch einmal um den Möbius: RE/VOLVE bei der Tech Open Air

In Zusammenarbeit mit der University of Applied Sciences Europe und dem Tech Open Air präsentierte Native Instruments im Rahmen unseres kontinuierlichen Supports aufstrebender Künstler RE/VOLVE ein Programm für räumliche, audiovisuelle Gestaltung und Komposition.

In seinem mittlerweile dritten Jahr brummt das Tech Open Air im wahrsten Sinne des Wortes: 20.000 Teilnehmer füllen die legendären Hallen und Gänge des Berliner Funkhauses und navigieren von Keynotes zu Workshops, Interviews und #AMAs. Jene fieberhafte Atmosphäre aus Speed-Networking, Serial-Tweeten und analogem Informationsaustausch bildete während der Konferenz sowohl den Hintergrund als auch die Inspiration für ein ambitioniertes Experiment eines raumgreifenden Gespanns von Sound, Media und Performance: RE/VOLVE.

RE/VOLVE, untergebracht in der riesigen, höhlenartigen Sound Chamber des Funkhauses, war eine Zusammenarbeit zwischen der University of Applied Sciences Europe und Native Instruments. Das Programm bestand aus einer Reihe einmaliger und ortspezifischer Installationen und Live-Performances, die während der zwei Tage und Nächte der Konferenz gezeigt wurden, und bildete den krönenden Abschluss von vier Monaten intensiver konzeptueller und technischer Ausarbeitung durch Studierende der UE Master-Kurse Film und Motion Design sowie Media Spaces, unter der Leitung von Prof. Claudia Rohrmoser und dem Creative Director des Kurses, Florian Kühnle. Als Partner bei Konzeption und technischer Umsetzung unterstützte Native die Studenten mit Kreativ-Workshops und Feedback-Sessions während der Ausarbeitung und wirkte mit bei der Gestaltung der finalen Installationen. Für die Studierenden, die gerade noch lernen, ihre Ideen und künstlerischen Praktiken zu entwickeln, bedeutete das Projekt einen großen Schritt hinsichtlich der Dimension und Komplexität ihrer Arbeiten.

Im Zentrum von RE/VOLVE stand das Konzept des Möbiusbands, jene geometrische Figur, die wir als Symbol für das Unendliche kennen: Eine geschlossene Schlaufe, die in sich verdreht ist und so einen endlosen Loop bildet. Im Rahmen des Projekts stand jenes Band als Metapher für die permanente Veränderung und Weiterentwicklung im kreativen Prozess im Zeitalter der Vernetzung – ein Feedback-Loop zwischen Idee und Umsetzung, Aktion und Reaktion, Vorbereitung und Darbietung.

Dieses Setting bildete den Ausgangspunkt einer Reihe meditativer Experimente der Studenten, die dabei Erfahrungen mit Konzeption und Gestaltung im Raum sammelten. Besucher erklommen einen minimal hinterleuchteten Treppenaufgang, ließen das geschäftige Treiben der Konferenz hinter sich und konnten so den weiten und offenen Raum der Sound Chamber neu erleben. Entlang der Treppenaufgänge der Halle waren verschiedene, audiovisuelle Installationen zu entdecken: eine „Cloud of Concepts“ zum Thema Möbiusband, wie Creative Director Kühnle sie nannte. Mathematisch berechnete Interpretationen alternativer Wahrnehmungen des Raum innerhalb des Möbiusbands trafen auf Lichtskulpturen, die Sonneneruptionen in Form von Echtzeit-Datenströmen zum Ausdruck brachten und so eine Bühne schufen für eine die Wahrnehmung verändernde Nische in Raum und Zeit.

Der großen, erhöhten Plattform in der Mitte der Sound Chamber zugewandt, befand sich als offene Bühne das Kernstück von RE/VOLVE: Drei langformatige, audiovisuelle Performances im Raum, die über den Verlauf von zwei Tagen und Nächten abwechselnd aufgeführt wurden.

Innerhalb eines kreisförmigen, speziell entworfenen 16-Punkte Raumklang-Arrays konnten die Besucher sich setzen, hinlegen oder umhergehen und die Installation intuitiv erkunden, während Sounds und Klänge um sie herumwirbelten. Entlang der Wände zogen sich Projektionen, pulsierten und sprudelten, während sich über diesem Raum ein langer, schmaler Bildschirm erstreckte – eine physische Repräsentation des Möbiusbands – die als ‘Video-Skulptur’ fungierte, und so konzipiert war, dass sie “die Vertikalität des Raums füllt, und die Menschen dazu anregt, den Blick nicht nur um sich herum, sondern auch nach oben schweifen zu lassen”, wie Prof. Rohrmoser erklärte.

Durch interaktive Technologien wurde das Möbiusband dabei selbst zum Medium: Eine Geste in einem Winkel des Raums bewirkte eine visuelle Reaktion an einem anderen Ort. Die Installation wurde so zum Ausgangspunkt für spontane Interaktionen zwischen den Künstlern und dem Publikum.

Die Annäherung an Wiederholung und Veränderung innerhalb eines Feedback-Loops, auf die das Möbiusband verwies, zog sich durch alle wesentlichen Aspekte der Präsentation. Die drei Hauptinstallationen von RE/VOLVE wurden mehrere Male live aufgeführt und veränderten sich je nach den Anpassungen, welche die Künstler aufgrund der Reaktionen des Publikums vornahmen. Aus diesen Modifikationen der Intensität und Form ergab sich für das Publikum jedes Mal eine neue Erfahrung.

RE/VOLVE ermutigte eine Gruppe von unterschiedlichen Künstlern, auf die Suche nach dem gemeinsamen Nenner ihres Denkens zu gehen, der sie am meisten überzeugte. Sound-Designer, Musiker, bildende Künstler, Programmierer, Architekten und Spezialisten für Performance Theater – alle brachten ihr Wissen, ihre Perspektiven und Leidenschaften in den Entwicklungsprozess mit ein. Dies eröffnete neue Möglichkeiten der Kreativitöt, brachte aber auch ganz eigene Herausforderungen mit sich.

“Jede Gruppe bildete eine wirklich interdisziplinäre Gemeinschaftsarbeit”, erklärte Prof. Rohrmoser. “Interessant zu beobachten war, wie sich im Laufe von vier Monaten eine zwischenmenschliche Dynamik entfaltete. Manchen fiel es schwerer als anderen, unter all den Möglichkeiten ihren eigenen Weg zu finden. Oder mit technischen Schwierigkeiten und den unvermeidlichen Konflikten der Egos bei einer Gruppenarbeit umzugehen. Aber in unserer vernetzten Welt müssen wir eben lernen, anderen zuzuhören, die auf für mich fremden Gebieten zuhause sind, und wie man mit ihnen zusammenarbeitet. Es handelt sich hier also um perfektes Training für die Zusammenarbeit bei zukünftigen Aufgaben, und für das Leben im Allgemeinen.”

Eine besondere Herausforderung war es dabei, einen flexiblen, technischen Aufbau zu gewährleisten, der den Bedürfnissen aller drei Teams gerecht wurde und zugleich eine dynamische Umgebung erzeugte. Unter Aufsicht des erfahrenen technischen Leiters der University of Applied Sciences, Philip Krüger, entwickelten die Studierenden für ein spezielles 8-Kanal Audio-Setup in REAKTOR. Die Flexibilität seines modularen Designs ermöglichte es, mit REAKTOR verschiedene Aufgaben auszuüben. So diente es als Routing Engine und Mischpult, das die Verteilung von Klangquellen im Raum mithilfe eines dreiachsigen Panning-Patches ermöglichte, welches Krueger erstellt hatte. Dazu bot es noch eine ganze Anzahl von Synthese-Quellen und Optionen der Klangerzeugung.

Darauf aufbauend stellten die Künstler Plattformen für ihre Performance und kreative Werkzeuge je nach ihren Bedürfnissen zusammen. Für die Erzeugung, Sequenzierung und Bearbeitung von Klängen wurden Ableton, KOMPLETE, externe Modular-Racks und akustische Instrumente live über ein externes Pult gemischt. Video und audio-reaktive Animationen wurden mit Touch Designer gesteuert, interaktive Elemente jeder Show wurden mit Kinect verarbeitet. Das Spektrum an Plattformen, die hier in einer flüssigen Präsentation zusammengeführt wurden, war beeindruckend.

Alle drei Shows hatten denselben konzeptuellen Ausgangspunkt, aber jede nahm ihren eigenen, besonderen Verlauf. Die unmittelbarste visuelle Interpretation des Möbiusbands bot Solaris, ein ‘Brainstorm’ in Aktion. Konzipiert von Fanny Dreyer, Philip Hartmann, Luke Powers, Kerem Suntay, und Manuel Tozzi nutzte es den Trubel und den Austausch in den darunterliegenden Räumen und visualisierte die Momente vor und nach der Verbindung ‘gegensätzlicher Pole’ – der Entstehung einer Idee als Funke im Gehirn und dessen wellenartiger Ausbreitung in die Welt, bei der sie eine Kette von Aktionen und Reaktionen in allem auslöst, auf das sie trifft.

In der interaktiven Möbiusband-Installation über den Köpfen der Besucher, bewegten sich zwei Linien immer wieder aufeinander zu, im Bemühen, sich zu verbinden, nur um ständig durch ihre gegensätzlichen Ladungen wieder voneinander abgestoßen zu werden. Ein beklemmendes weißes Rauschen im Raum steigerte sich immer mehr und wuchs zu polyrhythmischer, perkussiver Akustik an. Im Verlauf des Stücks ging dieses Zusammenspiel in einem überwältigenden Sturm klanglicher und visueller Information über und entlud sich schließlich in einem Aufflammen synchronisierter Farben, um dann in warmen, farbgetränkten, meditativen Drone-Spheren abzuklingen.

Unfamiliar Networks basierte auf der Idee, dass wir umgeben sind von uns unverständlichen Informationen. Unser eigenes Verständnis kratzt dabei lediglich an der Oberfläche von etwas, dass uns umgibt und noch viel gewaltiger ist, als wir es uns überhaupt vorstellen können. Ein inspirierendes Statement zu unserer derzeitigen Lage – unser Unvermögen, uns in sich fortwährend wandelnden, hoch verdichteten Informationsumgebungen zurechtzufinden. Die Schöpfer Lars Christophersen, Andy Liu, Basel Nouri, Leonie Pfeiffer, Kzenya Rhyzova, Rodrigo Sanchez, Almut Siebel und Helin Ulas nutzten dabei Wasser in seinen unterschiedlichen Elementar-Zuständen als Symbol der konstanten Veränderung, in der wir existieren.

Aufnahmen von Wassertropfen und Sediment aus der nur wenige Meter entfernten Spree, liefen in Form von hyper-verlangsamtem Bildmaterial, die Wände der Sound Chamber hinab, und verwandelten sich langsam zu fließenden, gallertartigen Bläschen und Wellen. Plappernde Flüstertöne durchzogen den Raum und wichen dann einem fesselnden Duett von Gitarre und Trompete, gespielt von Christophersen und Naouri. Eine Gruppe von Tänzern verlieh dem Stück eine zusätzliche Dimension, als sie sich zum audiovisuellen Input durchs Publikum schlängelten, gestikulierten und zuckten, um dann plötzlich den Raum zu durchflitzen.

Eine Beobachtung des Ortes selbst diente als Inspiration für White on White, einer Zusammenarbeit von Martina Illarregui, Aida Montazeran, Clara Pons, Rana Refaat, Hannah Schmidt und Oliver Torr Als sie die Sound Chamber das erste Mal betraten, fiel ihnen ein dünner Lichtstrahl auf, der hoch oben durch einen Spalt in der Decke trat. Sie trafen den Entschluss, dieses Spiel von Licht und Dunkelheit dazu zu nutzen, die Architektur der Sound Chamber lebendig werden zu lassen. Unregelmäßige monochrome Bänder bewegten sich durch den Raum und entfalteten ein Netz aus Licht und Schatten, während ganz in schwarz und weiß gekleidete Erscheinungen in Abstimmung mit den sich verändernden Formen den äußeren Rand des Raums beschritten, ganz so als vollführten sie eine Zeremonie.

Eine Lichtskulptur in der Ecke des Raums, konnte vom Publikum mit einer Reihe von metallenen Objekten bespielt werden, welche ihnen wortlos von den Performern ausgehändigt wurden. Führte man sie über die Oberfläche der Skulptur, bewirkte sie eine sofortige Veränderung der Visuals auf dem Möbiusband, welche die Klangkünstler jeweils für sich interpretierten. Ein pulsierendes, weißes Rauschens füllte den Raum, entwickelte sich hin zu tiefem, rumpelndem Bass; während sich ihre Frequenz erhöhte, verteilte sich im Raum das Klingklang metallischer, elektronischer Tönen, bis sie mit intensivem Panning in einen disorientierenden, verzerrten Strom der Selbstoszillation mündeten.

Bei RE/VOLVE konnten die Studierenden so wichtige Erfahrungen über den kreativen Prozess, kollaboratives Vorgehen, technischen Aufbau, Aufführungstechniken und vor allem räumliche Komposition sammeln. „Alles wird anders, sobald man sich in den Raum begibt“ fand auch Torr, der Klangkünstler bei White on White. „Man muss mit der natürlichen Akustik des Raums arbeiten, um eine Umgebung zu schaffen, in der sich die Zuhörer schlussendlich wohlfühlen.“

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