Für die aktuelle Auswahl konnten keine Artikel gefunden werden.

von Kabuki

Behind the Beats: Farhot

Echte Instrumente, Gitarrenpedale und unkonventionelle Beats - So arbeitet der HipHop-Produzent

Er hat für Giggs produziert, für Haftebefehl, Max Herre, Isaiah Rashad und viele Andere. Farhad Samadzada aka Farhot ist ein großer Name in der deutschen HipHop-Landschaft. Diese Position hat er sich im Trial-and-error-Verfahren erarbeitet. Schritt für Schritt, bzw. Beat für Beat seinen Style verfeinert. Seine große Leidenschaft für am Status Quo gemessen unkonventionelle Tracks lebt er gemeinsam mit Ben Bazzazian im Projekt „Die Achse“ aus. Wir haben den Hamburger kürzlich zum Interview getroffen. Und gefragt, wie er sich seinen unvergleichlichen Sound erarbeitet hat. Zwischen Vintage-Gear, Breakbeats und Melancholie schreibt er der Geschichte des Beatmaking ein weiteres Kapitel ins Stammbuch.

 

Farhad, deine Produktionen leben von einer Art zeitlosem Vibe, einem Sound, der sich keiner Periode wirklich zuordnen lässt, und in dem aktuelle Trends so gut wie keine Rolle spielen. Erzähle etwas zu deinen Einflüssen. 

Ganz wichtig für mich waren Wu-Tang Clan und Portishead. Eigentlich lustig, dass beide Debütalben fast zeitgleich rauskamen, „Enter the Wu-Tang“ wurde 1993 veröffentlicht, „Dummy“ 1994. Portishead habe ich allerdings erst später entdeckt – und dachte dann auch zunächst, dass die Wu-Tang nachmachen würden. Ich fand Portishead zwar sofort interessant, aber es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das geniale Zusammenspiel zwischen Sängerin und Band verstanden hatte.

 

Wie hast du dir deinen Sound erarbeitet? 

Da war kein bewusster Prozess. Es hat eher damit zu tun, dass ich mich schnell langweile, aus Prinzip nichts so machen möchte wie alle anderen, und ich mich selbst immer wieder herausfordere. Es gibt bestimmt Producer, die können gut planen und sich alles im Vorfeld zurechtlegen. Ich hingegen habe nur so eine ungefähre Ahnung, was ich machen möchte – und stolpere so einfach irgendwo hin.

Hat dir die Produktion von „Kabul Fire Vol. 1“ geholfen, deinen Sound noch einmal zu fokussieren? 

Die Beats sind über einen längeren Zeitraum entstanden. Die Initiative, daraus ein Album zu machen, ging vom damaligen Label aus. Erst einmal habe ich das gar nicht verstanden, weil ich in dieser „Beat-Welt“ noch nicht drin war, habe mich dann aber dafür begeistern können; auch weil sie es auf Vinyl rausbringen wollten. Das Album ist also aus Beats zusammengestellt worden, die gerade da waren, und von keinen Künstler*innen gepickt wurden.

 

Du arbeitest mit vielen alten Synthesizern und „echten“ Instrumenten – Vintage trifft Moderne.

Wenn ich privat Musik höre, dann oft alte Aufnahmen. Irgendwann hatte ich einmal ein bisschen mehr Geld, um Instrumente kaufen – da habe ich geschaut, was auf den Platten verwendet wurde, die mich geprägt haben: Wu-Tang oder Cypress Hill zum Beispiel. Ich kannte mich da zunächst nicht gut aus, habe mich dann aber immer weiter reingefuchst, bis ich einen groben Überblick hatte – ein Spezialist bin ich nach wie vor nicht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass mir diese „echten“ Instrumente mehr geben. Die haben alle bestimmte Eigenarten und einen Charakter. Kein Exemplar klingt wie das andere. Du weißt einfach nicht, wie viele Stürze die schon hinter sich haben, wie viel Rauch die abgekommen haben oder wie verstimmt sie sind. Es gibt aber natürlich auch unglaublich viele virtuelle Instrumente und Libraries. Die setzte ich je nach Bedarf ergänzend ein.

 

Bisher haben mich die echten Instrumente immer mehr inspiriert als eine MacBook-Tastatur.

 

Würdest du sagen, dass man eine Beziehung seine Instrumenten entwickelt?

Zu Instrumenten, an denen ich schon ganz viel komponiert habe, besteht auf jeden Fall eine Bindung. Vor allem zum Feurich Upright und zum CP-70, die bei mir im Studio stehen. Es mag sein, dass man sich da etwas einbildet, aber selbst das ist ja irgendwie real. Bisher haben mich die echten Instrumente immer mehr inspiriert als eine MacBook-Tastatur. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass ich bis an mein Lebensende nur mit alten Keyboards arbeiten möchte – ich finde es auch cool, nur am Laptop Beats zu bauen.

Du hast dir mittlerweile eine professionelle Infrastruktur aufgebaut. Mit dem Label Kabul Fire für dich und dein Team auf der einen und Deep Fried als Platform auf der anderen Seite. Da featurest du innovative Beatmaker. Du scheinst jemand zu sein, der gerne sein eigenes Ding macht, Fakten schafft. 

Die letzten zwei bis drei Jahre habe ich mich praktisch ausschließlich damit beschäftigt, diese Struktur aufzubauen. Die Expertise von Kabul Fire Records sehe ich darin, Beat-Produzent*innen, die Musik rausbringen wollen, eine Plattform zu bieten. In diesem Metier fühle ich mich zu Hause. Und da gibt es noch viele unentdeckte Perlen.

 

Du hast systematische Musikwissenschaften studiert. Hilft dir dieses Wissen immer noch? 

Viel habe ich wieder vergessen. Aber: Für Kurse wie Instrumentenkunde habe ich damals richtig gebüffelt und mich intensiv mit historischen Instrumenten beschäftigt. Die Unterschiede zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten – das wusste ich alles mal. Ich habe mir jedoch das Bewusstsein bewahrt, dass es solche Unterschied gibt. Am meisten habe ich wahrscheinlich von der Tonsatzlehre profitiert, mit Funktionstheorie und Generalbass.

 

Lass uns über Die Achse sprechen – ihr macht ja auch eine Competition bei Metapop. Ihr habt zum ersten Mal für die Karate-Andi-LP, dem Projekt von Jan Salzmann, zusammengearbeitet, richtig? 

Stimmt. Damals entstand auch der Name „Die Achse“. Wir hatten angefangen, die Platte zu produzieren, und während Andi schrieb, hingen wir ab und überlegten uns, eigene Musik zu machen – ohne dass da zwingend Vocalist*innen rauf müssen. Wir wollten uns dann ursprünglich gegenseitig Beats schicken, die compilieren und veröffentlichen. Das ist dann aber nie passiert. Stattdessen haben wir gemeinsam etwas Neues gemacht. Das erste Stück war schon das Instrumental zu „Baby Osamas“. Wir merkten schnell, dass das mit uns beiden gut funktioniert, und haben den Beat erstmal nicht den Rappern vorgespielt, mit denen wir zu diesem Zeitpunkt arbeiteten. Wir wollten den für uns behalten. Auf dem Beat hört man auch meine „Standard-Instrumente“, mit denen ich oft an Ideen arbeite: das CP-70, das Upright Piano, und das Rhodes – durch das Whammy-Pedal geschickt. Auf diesem Beat konnten wir aufbauen – und haben weitergemacht.

Die Achse scheint losgelöst zu sein von aktuellen Produzenten-Teams im Rap. Ich höre bei euch den Spirit von BombSquad raus, ihr kanalisiert eine rohe Punk-Energie. 

Wir arbeiten zu 100 % ohne Kompromiss, leben uns voll aus. Als A&R könntest du aus einem Achse-Stück zehn Beats bauen. Aber wir machen eben nur einen daraus, weil wir das einem Publikum präsentieren möchten, das die Musik aufmerksam verfolgt. Und es ist eben kein Vokalist drauf, es ist ein Trip. Unsere Musik verändert sich dauernd und überfordert auch viele Leute. Aber das ist ok, wir haben uns damit arrangiert. Wie eine HipHop-Oper (lacht)

 

Die Live-Umsetzung ist eine nur logische Konsequenz daraus – sehr aufwendig.

Mit Achse Live präsentieren wir unsere Musik nicht als Produzenten-Team, sondern als Band. Man erlebt also eine echte Performance, wir spielen die Instrumente, die man hört. Auch die Visuals sind wichtig. Wir wollen ein audio-visuelles Erlebnis schaffen. Anfangs haben wir nur mit einem ganz kleinen Set-up performed, mit Ableton und einer MPC – wir haben dann einfach One-shots und Beats abgefeuert. Mit der Zeit ist das aber gewachsen, und als wir realisierten, dass wir die Instrumente live dazu spielen können, kamen Schlagzeug und Effekte dazu. Das ist ein Prozess, der noch lange nicht vorbei ist – hoffentlich holen wir zukünftig weitere Positionen auf der Bühne dazu. In einem Jahr werden wir noch ausgecheckter sein.

 

Ben Bazzazian spielt Bass, du bist auf der Bühne der Keyboarder. Gib es bestimmte Sounds, die du live bevorzugst? 

Live benutze ich häufig klassische Sounds – von Orgel bis Wurlitzer. Sehr roh, aber verfeinert mit Tretminen. Zuletzt kam der Holy Grail von Electro Harmonix dazu, der mit dem „Flerb“-Setting, einem kombinierter Reverb/Flanger-Algorithmus. Das eiert besonders schön.

Sprechen wir über „Represent Heart“ auf Kabul Fire Vol. 1. Hier steht der Sound deines Pianos im Zentrum. 

Ich bilde mir ein bisschen was auf die Verstimmung dieses Pianos ein, und hoffe, dass es nur bei mir so klingt. Ich verwende grundsätzlich zwei Mikros am Klavier. Das U67 von Neumann positioniere ich so, dass bei den Aufnahmen noch ein bisschen Raum zu hören ist. Manchmal bin ich aber auch einfach zu faul, diesen Aufwand zu betreiben. Gerade in letzter Zeit habe ich Klavier-Ideen einfach mit dem Handy aufgenommen. Video an und los. Danach importiere ich das File in Studio One und baue daraus meine Loops.

 

Du hast ein sehr eigenwilliges Timing, deine Keyboards haben immer einen besonderen Groove. 

Weil ich früher DJ Muggs, Rza und Dr. Dre gehört habe. Wenn die heftige Soul-Musik gesampelt haben, war das alles sehr speziell gespielt – das hat mich schon sehr geprägt. Später habe ich dann vielleicht unbewusst versucht, in diesem Stil auf dem Klavier zu spielen. Ich habe mich wiedergefunden in dieser düsteren, melancholischen, aber auch irgendwie warmen Musik. „Represent Heart“ atmet dieses ganz bestimmte Wu-Tang-Gefühl.

 

Bei Melodien geht es immer um ein spezielles Feeling.

 

Nimmst du das Piano immer live in einem Take auf, oder editierst du im Nachhinein noch? 

Ich versuche schon, in dem Timing zu spielen, das ich anstrebe. Bei Melodien geht es immer um ein spezielles Feeling. Ich ändere oft die Geschwindigkeit, so entsteht ein ganz neues Gefühl. Das ist wie Salz und Pfeffer beim Kochen – die Tonhöhe oder das Tempo zu ändern, kann einen riesigen Unterschied machen.

Änderst du deshalb auch so oft die Stimmung deiner Drum-Sounds? 

Es muss interessant klingen – und manchmal eben anders, als man es gewohnt ist. Wenn ich mit Breaks arbeite, versuche ich, sie in die Tonart des Stücks zu stimmen. Oder ich passe die Musik den Drums an, je nachdem was geiler klingt.

 

Breaks sind ein gutes Stichwort. Aktuell benutzen fast alle Produzent*innen die gleichen 808-Drums. 

Ich benutze Breaks gerne, weil sie mit einem bestimmten Gefühl gespielt sind, da klingt nicht jede Hi-Hat gleich. Und manchmal hast du dann ganz unerwartet ein Tom oder ein Ride-Becken in dem Loop. Davon profitiere ich. Es kommt aber eher selten vor, dass ich einen Drumloop 1:1 verwende. Ich verändere eigentlich immer etwas.

 

Greifst du auch auf Libraries oder Sample-Bänke zu oder fängst du immer mit Breaks an? 

Ich habe mir über die Jahre meine eigene Library aus Drum-Sounds zusammengestellt, ganz viele davon sind händisch von Vinyl gesamplet. Einige dieser Sounds verwende ich schon seit 15 Jahren. Mit kommerziellen Libraries habe ich eher wenig Erfahrungen.

 

Bei Drums stehe ich generell auf Lebendigkeit, da muss nicht immer alles ganz gerade sein.

 

Schiebst du deine Drums im Grid hin und her oder spielst du sie einfach ein?

Früher habe ich die Drums oft live einspielt, aktuell zeichne ich sie aber auch gerne oder schneide sie in Studio One. Deswegen freue ich mich jetzt auch, zur Abwechslung mehr mit der MASCHINE zu arbeiten. Ich habe die Hoffnung, dass sich ein Pattern entwickelt, wenn ich auf die Pads drücke – ähnlich wie bei meinen Tasteninstrumenten. Bei Drums quantisiere ich nicht alles, aber das ist auch stimmungsabhängig. Ich durchlaufe da immer wieder verschiedene Phasen. Als ich vor allem mit Ben Bazzazian gearbeitet habe, hat sein Workflow auf mich abgefärbt. Ich habe mehr darauf geachtet, dass alles tight ist.  Aktuell ist es wieder anders. Ich lasse es teilweise im Editing wieder ein wenig lockerer klingen. Bei Drums stehe ich generell schon auf Lebendigkeit, da muss nicht immer alles ganz gerade sein. Ich mag akustische Musik, die berührt mich mehr als etwas, was komplett geradegezogen ist.

Erzähl etwas zu „Baqi Manda“ (Farsi für „Was Übrig Bleibt“) vom demnächst erscheinenden „Kabul Fire 2“-Album. Bei dem Stück spielt Kontakt eine wichtige Rolle. 

Die Intro-Melodie ist ein Sample, einfach in Kontakt gezogen und über die Tastatur gespielt. Dann kommt die Celesta – die Pitchglides habe ich nachträglich in Cubase mit dem integrierten Pitchshifter draufgerechnet. Im Breakdown kommt dann noch ein Piano, da habe ich das Klavier gebounced und die Spur dann noch einmal oktaviert. Das gibt dem Ganzen eine besondere Farbe.

 

Zum Schluss noch: Wie geht es bei Die Achse weiter? Habt ihr Pläne? 

Die letzten Sessions machen mir viel Hoffnung. Da haben wir zusammen gesessen, einer hat gespielt, der andere an Effekten rumgedreht, und dann haben wir es aufgenommen. Im Anschluss wird das Material wieder gesampelt. Das ist schon ein anderer Ansatz, als wenn du ein Sample irgendwo findest und verwendest. Gerade eben hast du es noch gespielt, dann hörst du es und bist direkt inspiriert, es weiter zu bearbeiten. Nicht dass es keinen Spaß bringt, den Beat nur am Computer zu bauen, aber das ist so die beste Zeit für mich.

Single Artwork: Atilla Yurtsever

Ähnliche Artikel

Cookies

Wir verwenden Cookies, um unsere Website für dich benutzerfreundlicher zu machen. Cookies werden zum Beispiel verwendet für Werbung, Analyse-Tools oder Social Media.

Cookies verwalten

Mehr Informationen über Cookies