Für die aktuelle Auswahl konnten keine Artikel gefunden werden.

von Konstantin Grismann

Was sind schon Genres?! Gnarly Music im Interview

Wir haben uns mit der Londoner Multi-Instrumentalistin, Produzentin und Finger-Drumming-Expertin Gnarly getroffen und mit ihr über ihre Arbeitsweise, musikalischen Einflüsse und MASCHINE-Techniken gesprochen.

Jazz, Soul, Funk, HipHop, UK Bass und Neo-Soul: Das sind einige der Genres, die Gnarly zu ihren Einflüssen zählt. Und genauso vielseitig klingen ihre Beats. Schon als Kind lernte sie mehrere Instrumente und studierte später Sound Arts und Design. Heute ist sie eine begnadete Produzentin und Finger-Drummerin – es gibt also nicht viel, in dem sie kein Profi ist.

 

Auf ihrer Instagram-Seite veröffentlicht Gnarly regelmäßig Finger-Drumming-Workouts und neue Songideen, die sie mit MASCHINE umsetzt – und zieht damit ein großes Publikum an. Wir haben sie in ihrem Studio in London besucht, um über ihre Arbeitsweise, Einflüsse und Lieblings-MASCHINE-Techniken zu sprechen.

Wann hast du als Multi-Instrumentalistin entschieden, dass du auch produzieren willst?

Ich habe schon mit sechs angefangen, Klavier zu lernen. Damals musste ich meine Mutter wochenlang bearbeiten, damit sie die Stunden auch bezahlt. Ab da wusste ich, dass das Musikmachen ein wichtiger Teil meines Lebens werden würde. Als Teenager habe ich viel Zeit damit verbracht, Songs zu schreiben, ich rappte auch in Jugendclubs. Dann wollte ich eigene Beats für meine Vocals machen. Als ich damit anfing, bemerkte ich, dass ich das viel besser konnte und mir auch mehr Spaß machte. Musik kann Dinge ausdrücken, die Worte nicht können. Das hat schon etwas Magisches.

 

Wie sah dein musikalischer Werdegang aus? Gibt es ein Genre oder eine Band, die einen besonderen Einfluss auf deine Musik hatte?  

Neben dem Klavierunterricht hatte ich als Kind auch noch Geigenstunden. Als Teenager habe habe ich mir dann selbst Gitarre beigebracht. Für das Produzieren begann ich mich zu interessieren, als ich in Musik meine Prüfung zum Abschluss der Mittelstufe ablegte. Musiktechnik war dann Thema bei meinem Fachabitur. Anschließend habe ich einen Abschluss in Sound Arts und Design gemacht. Das waren allesamt gute Grundlagen, aber es dauerte schon einige Jahre und viel Ausprobieren, bis ich die Musik, die mir vorschwebte, auch produzieren konnte.

Ich bin vor allem mit dem HipHop und R&B der 1990er- und Nullerjahre aufgewachsen, ein bisschen Nirvana war auch dabei. Timbaland ist wahrscheinlich der Produzent, der mich am meisten inspiriert hat – mit seinen Beats und knallharten Kick-Drums. Seine Tracks sind so gefühlvoll und haben einen unverwechselbaren Sound. Ich bin auch ein großer Fan von UK Bass – Grime, Drum and Bass, früher Dubstep und natürlich Jungle – und ein bisschen von diesem Vibe steckt auch in meinen Tracks. All diese Genres haben meine Musik beeinflusst. Und weil es so viele sind, lässt sie sich kaum in ein bestimmtes Genre einordnen. Mein aktueller Lieblingsproduzent ist Lido – er ist ebenfalls ein Multi-Instrumentalist und ein unglaublicher Performer. Seine Tracks klingen nach R&B, nur viel frischer. Genau das wünsche ich mir auch für meine eigene Musik: soulige Chords und krasse Beats.

Gibt es ein Instrument, das du immer nutzt oder dich am meisten inspiriert? 

Wahrscheinlich Maschine. Das ist kein traditionelles Instrument. Aber wenn man damit live spielen will, muss man es genauso lernen und meistern wie andere. Ich kann damit schnell Ideen umsetzen und finde es toll, dass ich unendlich viele Sounds kombinieren kann.

 

Wie arbeitest du? 

Zuerst setze ich mich meistens hin und mache Spotify an – ich habe eine Playlist mit Musik von anderen Künstlern, von denen ich mich inspirieren lasse. Danach hängt alles davon ab, worauf ich gerade Lust habe: Sampling, Live-Performance oder Produzieren. Wenn ich sampeln will, durchsuche ich meine Sammlung und lege die Tonart und das Tempo des Tracks fest. Dann verteile ich die Sounds auf die Pads und spiele erstmal einige Zeit damit herum. Beim Produzieren beginne ich meist am Klavier mit den Akkorden und Melodien, bevor andere Instrumente dazukommen. Die Drums kommen meist zuletzt. Auch das Arrangement ist dann oft schon so gut wie fertig.

Aber was hast du zuerst im Kopf? Drums oder Harmonien? 

Das kommt darauf an. Manchmal habe ich einen Beat im Kopf. Dann spiele ich zuerst die Drums ein und komponiere die anderen Parts später. Meist beginne ich mit Akkorden, dann kommen Melodie und Bassline dazu. Ich arrangiere das Ganze als Loop mit acht oder 16 Takten und jamme dann mit verschiedenen Drum-Patterns, bis ich den passenden finde.

 

Warum ist MASCHINE das Tool deiner Wahl? 

Weil ich mit Komplete bereits NI-Software hatte, machte es Sinn, mich für Maschine zu entscheiden, als ich immer mehr mit dem Finger-Drumming beschäftigt habe. Das sollte schon alles aus einer Hand kommen. Ich wollte meine Software einheitlich halten. Die Expansions liefern grandiose Sounds, die es sonst nirgendwo gibt. Im Vergleich zu anderen Pad-Controllern mag ich auch die Größe, das Feeling und die Platzierung der Pads und Regler.

Auf Instagram postest du regelmäßig beeindruckende Finger-Drumming-Performances deiner Beats. Welchen Rat gibst du denen, die das Finger-Drumming lernen wollen?

Finde eine Technik, die für dich funktioniert, und übe sie ausgiebig, denn das macht den Unterschied. Vielleicht fängst du mit einer Beat-Challenge an. Mache einen Monat lang jeden Tag einen neuen Beat und poste ihn. So werden die Beats zu einer täglichen Routine und du siehst auch, wie sich deine Skills verbessern. Meine Beat-Challenge hat mir sehr dabei geholfen, neue Patterns, Beats und Genres schneller zu lernen. Dieser Druck, jeden Tag etwas abzuliefern, macht was mit dir.

 

Du bist auch DJ und Tontechnikerin. Wieviel Einfluss haben diese Tätigkeiten auf deine Produktionen? 

Beides spielt beim Produzieren und Mixen meiner Tracks eine wichtige Rolle. Das Auflegen gibt mir die Möglichkeit, Tracks mit einer Crowd zu testen. Ich kann dann spüren, welche Vibes die Leute wirklich bewegen und welche nicht. Außerdem höre ich mir bei der Vorbereitung von Sets viel Musik an, was auch eine große Inspiration für mich ist. Dank des Engineerings kenne ich mich mittlerweile gut mit Mikros, Aufnahme und Mixing aus. Seit über fünf Jahren mixe und mastere ich das Audiomaterial der UK Beatbox Championships für die Post-Production. Ich mag die Herausforderung, Audio so punchy und bassig wie möglich klingen zu lassen, ohne dass es dabei matschig klingt. Und den gewaltigen Sound einer Live-P.A. so nachzubilden, dass er auch auf Laptop-Lautsprechern rüberkommt. Viele dieser Techniken wende ich natürlich auch beim Mixen und Mastern meiner eigenen Tracks an.

 

Viele Produzenten tun sich schwer mit der Entscheidung, wann ein Beat wirklich fertig ist. Wann weißt du, ob ein Track für die Welt bereit ist? 

Das fällt auch mir manchmal nicht leicht. Ich denke, dass man das nie genau weiß. Du musst einfach auf dein Bauchgefühl achten und den Track rausbringen, wenn er für dich gut klingt und du nichts mehr hinzufügen kannst.

 

Fotos: Kristina Salgvik

Ähnliche Artikel