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von Konstantin Grismann

Lern die Entwickler kennen: IRRUPT Audio

Wir haben die Macher unserer Expansion WARPED SYMMETRY besucht.

Müsste man die Expansion WARPED SYMMETRY in eine Genre-Schublade stecken, stünde da in fett drauf: drei Jahrzehnte Electronica. Und unten drunter, etwas kleiner: analog, frühe 1990er-Jahre, Rave. WARPED SYMMETRY bietet ein breites Klangspektrum für elektronische Produktionen – mit vielen Drum-Kits, Loops, Samples und Synth-Presets. Entstanden ist die Expansion in Zusammenarbeit mit den Berliner Sound Designern und Produzenten von IRRUPT Audio.

Soundbeispiele der Expansion findest du am Ende des Artikels. Mehr Infos zu WARPED SYMMETRY gibt es hier.

IRRUPT Audio ist im Berliner Stadtteil Wedding beheimatet. Bereits vor der Produktion von WARPED SYMMETRY hat das Team gemeinsam mit NI an Expansions gearbeitet, zum Beispiel District Xeo und Carbon Decay.

Anlässlich der Veröffentlichung von WARPED SYMMETRY trafen wir uns im Sommer 2019 mit Jay Ahern, dem CEO von IRRUPT Audio, und wollten mehr darüber erfahren, wie er und sein Team – zum Beispiel Nina Hynes, Andrea Lancellotti und Magda – arbeiten. Wann hat man schon mal die Gelegenheiten hinter die Kulissen einer der besten Firmen für Sound Design in Berlin zu schauen?

Jay, stell uns doch bitte das Team von IRRUPT Audio vor.

Das Unternehmen wurde von Eloy Lopez, Bradley Roulier, Christina Duran, Steve Blakley und mir gegründet. Eloy und Brad sind die ursprünglichen Gründer von Beatport, Christina war eine ihrer ersten Mitarbeiterinnen. Ich lernte sie vor ein paar Jahren kennen, als ich selbst bei Beatport in Denver arbeitete. Über sie habe ich dann Steve Blakley kennengelernt, den Leiter von The Firm Graphics in Denver. Steve und meine Frau Maike Ahern haben die visuelle Seite von IRRUPT entwickelt – und das Artwork der fast 150 Releases, die NI exklusiv auf sounds.com anbietet.

Außerdem haben wir Magda ins Team geholt. Wir wollten Sound Design machen – aber nicht im Alleingang, sondern zusammen mit vielen erstklassigen Musikern. Wir dachten: Lass uns mit Musikern, die wir kennen, über das Projekt reden und sie dafür gewinnen. Und boten ihnen die Möglichkeit, anonym Sounds für uns zu produzieren. Es war uns wichtig, dass unsere Kunden die Sounds eigenständig interpretieren – das war viel wichtiger, als mit den Namen der Urheber raus zu gehen. Wir sind alle mit dem Techno der 1990er-Jahre aufgewachsen. Damals spielte Anonymität eine große Rolle. Wir nehmen bei IRRUPT diese Haltung von damals wieder auf.

 

In welchen Bereichen waren die Teammitglieder vor dem Start von IRRUPT aktiv?

Nina Hynes kommt aus dem Indie-Rock, wir kennen uns noch aus der Zeit als ich bei Domino Records gearbeitet habe. Sie hat zum Beispiel mit Hector Zazou und Harold Budd zusammengearbeitet und wollte sofort mitmachen. Mit Magda und Nina mache ich auch das Live-Projekt Blotter Trax. Wir haben schon viele Shows gespielt, u.a. im Londoner Fabric, und mehrere 12″s veröffentlicht, die letzte auf Frustrated Funk, dem Electro-Sublabel von Clone Records aus den Niederlanden.

Welche anderen Expansions habt ihr produziert?

Carbon Decay war unsere erste Expansion – da geht es um Industrial Techno. In diesem Genre kennen wir einige renommierte Produzenten. Sie haben Sounds beigesteuert, die unser Team dann zusammengestellt hat.

District Xeo war die zweite Expansion, und in diesem Zusammenhang möchte ich mich bei Jeffrey Horton von Native bedanken, der das Projekt auf den Weg gebracht hat. Die Arbeit an der Expansion hat meine alte Liebe zum Electro wieder aufleben lassen. Mir wurde klar, dass das die DNA so vieler Formen der aktuellen elektronischen Musik ist. Ich habe mit Magda zusammengearbeitet, für sie ist Electro ebenfalls eine große Inspiration. Wir wurden einander von unseren gemeinsamen Freunden Ectomorph aus Detroit vorgestellt.

Unser Chief Engineer Andrea Lancelotti hat das im Studio dann alles geordnet. Außerdem konnten wir Fabien von dOP, der auch Sounds für die Expansion gemacht hat, für die kompletten MIDI-Performances gewinnen. Er hat eine klassische Musikausbildung und alles ohne Quantisierung gemacht. Deswegen sind die MIDI-Performances in diesem Sound-Pack auch reines Gold. An der Expansion haben aber auch noch weitere Electro-Musiker mitgewirkt und Künstler, für die Electro immer ein großer Einfluss war. Ich wollte eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und alle Beatmaker inspirieren – egal in welchem Genre sie unterwegs sind.

 

Welche anderen Sound-Libraries habt ihr produziert?

Auf sounds.com gibt es ungefähr 150 Packs von IRRUPT Audio. Die Idee für den ersten Pack kam von meinem Freund John Tejada. Er hatte ein paar Sounds gemacht, die ich in Ableton Live mehr oder weniger wahllos einfach abfeuerte. Dabei wurde mir klar, dass das wie eine Komposition war – ein Sound-Pack mit fast schon generativer Qualität. Ich rief John an und fragte, ob er das bewusst so angelegt hatte. Er sagte nein, das sei einfach im Flow passiert. Mir wurde bewusst, wie klasse das war – ein Sound-Pack, mit dem man ein komplettes Liveset spielen könnte. Später haben wir dann mit anderen Künstlern zusammengearbeitet, was ja auch die ursprüngliche Idee für IRRUPT Audio war. Wir sagen ihnen: Gib uns deine Musik, und es wird alles zusammen funktionieren.

Du hast eine beeindruckende Sammlung neuer und alter Synthesizer im Studio. Kannst du uns ein paar Highlights zeigen?

Wir sind definitiv modular-verrückt. Es gibt hier zwar auch viele Vintage-Synths, aber unsere modulare Welt wird von Cwejman-, Three Sisters- und natürlich Metasonix-Produkten bestimmt. Dann kaufte Magda den Deckard’s Dream – das Prunkstück unserer Sammlung und sehr teuer. Der Cirklon macht auch großen Spaß. Wir lieben die neueren Sachen, wobei die Vintage-Synths auch wichtig sind. Denn wenn du weißt, wie gut sie wirklich sind und klingen können, weißt du, worauf du bei aktuellen Geräten hören musst. Brendan von Ectomorph – ein guter Freund von uns – hat mal etwas sehr Schönes und Wahres über modulare Synths gesagt: Sie seien wie kleine Kunstwerke. Was mit ihnen entsteht, ist immer Kunst, aber nicht jeder macht damit auch Tracks, die musikalisch für uns verwertbar sind. Wir suchen immer nach Material, das funktioniert. Und wenn uns Musiker auf Tour hier besuchen, fragen wir sie, ob sie auch ihr Equipment mitbringen können.

 

Wie habt ihr die Expansion aufgenommen? Und wie habt ihr die Sounds bearbeitet?

Warped Symmetry sollte ein Toolkit für das Songwriting werden – für Musiker, die in der Elektronik unterwegs und zu Hause sind. Das können R&B-Produzenten sein oder eine Komponistin wie Kaitlyn Aurelia Smith. Oder sogar Earth, falls sie nach so etwas suchen sollten, was ich mir allerdings nicht so recht vorstellen kann. Uns wurde klar, dass wir alles granularer gestalten müssen. Wir hatten bis dahin schon mehrere Expansions produziert, also haben wir weitere Presets für Massive und Monark entwickelt. Außerdem Multi-Sample-Instrumente. Vor aber geht es um jede Menge MIDI.

Was ist in der Expansion alles dabei?

MIDI-Dateien, Loops, One-Shots und viele Patterns. Pro Group gibt es drei bis fünf Patterns, also Mini-Songs zwischen 80 und 130 BPM. Auch das Einspielen der Noten lief diesmal anders ab. Ich habe eine Gitarre im Studio, und es ist immer wieder überraschend, wie viele Elektronikmusiker dieses Instrument früher mal gespielt haben. Es gibt ja diese richtig gute Software – Jam Origin – die das Audiosignal einer Gitarre direkt in MIDI umwandelt. Außerdem arbeiten wir mit einem jungen britischen Jazzmusiker zusammen, der in Berlin lebt: Robert York. Er ist auch Dozent, mit dem Schwerpunkt Musiktheorie. Ich habe ihn engagiert, um die Elektroniker mal ein bisschen zu erden, damit die musikalischen Phrasierungen auch sitzen. Das macht die Expansion im Ergebnis sehr dynamisch – tolle Sounds, zusammen mit exzellenten und supernützlichen MIDI-Dateien.

 

Wie hast du das Thema „30 Jahre Electronica“ in die Expansion gebracht?

In den frühen 1990ern hieß das ja noch IDM: Da ging es um Künstler wie B12 oder Stasis und Labels wie Warp. Es ist krass, wie viele junge Künstler heute von diesem Sound geradezu besessen sind. Und auch verrückt, weil ich mich so weniger alt fühlen darf. Andrea kommt auch aus dieser Welt – 2017 hat er eine EP auf 7th Sign Recordings veröffentlicht. Wir haben hier einfach riesigen Hunger auf Musik. Im Studio hören wir nicht nur ein Genre. Neulich zum Beispiel SZA, und ein Track auf ihrem Album klang wie Lali Puna oder Notwist – unglaublich! Wir wissen, dass viele Maschine-User Urban Music machen, und finden es toll, wie sie dabei eigentlich nur mit Sound arbeiten. Deswegen dachten wir uns: Warum sollten wir das nicht genauso machen und einfach schauen, was passiert? Und so haben wir es dann auch gemacht, in der Hoffnung, dass Songs daraus entstehen, die uns umhauen. Wenn du den Leuten authentisches Material gibst, inspiriert sie das.

 

Bei der Produktion von Expansions arbeitet ihr eng mit den Sound Designern von Native Instruments zusammen. Wie genau funktioniert das?

Bei all unseren Expansions war Angelos Liaros unser Ansprechpartner in Sachen Sound Design. Ich glaube fest daran, mit anderen Menschen zu kooperieren. Das Ziel muss immer sein, dass das Produkt alle Erwartungen übertrifft. Das Beste abzuliefern, etwas, das unsere Erfahrungen als Produzenten und Performer vereint. Ein echtes Toolkit eben.

photo credits: Yvonne Hartmann

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