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von Chandler Shortlidge

Dein Weg zum Plattenvertrag

Finde das richtige Label für deine Musik.

Für viele Bedroom-Produzenten fühlt sich der Sprung ins Rampenlicht wie ein Blindflug über eine breite Schlucht an. Auf einer Seite ist da die eigene Musik – auf der anderen Seite der ersehnte Erfolg. Zwar bietet unsere digitale Gegenwart viele neue Möglichkeiten, um diesen Sprung auch wirklich zu schaffen – bei einem Label unter Vertrag zu sein, bleibt jedoch weiterhin ein entscheidender Faktor auf dem Weg zum Erfolg.

„Manche Leute glauben, dass Labels tot sind“, sagt der Autor und frühere Promoter Pietro Licini. „Für mich liegen sie damit falsch – besonders wenn es um aufstrebende Künstler geht. Das Internet hat die Bedeutung von Labels bestimmt in Frage gestellt, aber sie spielen immer noch eine wichtige Rolle bei der Entdeckung neuer Künstler.“

 

Wobei der Erfolg natürlich nicht garantiert ist, wenn man bei einem Label unterschreibt. In seinem Buch „Underground: A guide for emerging DJs and producers“ beschreibt Licini die zahlreichen Schritte, die Underground-Künstler im Dance-Bereich nehmen müssen, um den Durchbruch wirklich zu schaffen. Am wichtigsten, so Licini, ist und bleibt das nötige Talent. Aber die Promo-Möglichkeiten, die ein gutes Label bietet, sollten nicht unterschätzt werden.

 

„Ein Label gibt einem Künstler nach wie vor Authentizität und fördert die Wahrnehmung“, sagt Wez Saunders, der Managing Director von Defected Records. Mit 20 Jahren Erfahrung und den damit einhergehenden Netzwerken und Verbindungen weiß man bei Defected, wie man einen Song weltweit richtig streut. Das Label hat ein eigenes PR-Team, das sich darum kümmert, die Musik in die Presse zu bringen – das sorgt für mehr Aufmerksamkeit und letztendlich auch mehr Fans bei Gigs. Natürlich hat nicht jedes Label die Möglichkeiten von Defected. Aber auch kleinere Plattenfirmen verschaffen Künstlern – egal ob Newcomer oder bereits etabliert – einen Vorteil. Wenn sie ihre Arbeit denn ernst nehmen. Aber wie findet man nun das richtige Label? Allein im Techno-Bereich gibt es doch locker zig Tausende.

 

„Für mich sind drei Schritte entscheidend“, sagt Licini. „Schritt 1: Einen ganz individuellen Sound finden. Bevor man auf Label-Suche geht, sollte man wissen, wer man wirklich ist – zumindest musikalisch. Schritt 2: Viel Musik hören. Labels entdecken, deren Sound einen begeistert. So begeistert, dass man wirklich versteht, worum des auf diesem Label geht. Und Schritt 3: Die Musik machen, die man wirklich machen will. Dabei aber immer auf die Balance achten zwischen dem Sound und der Identität des Labels. Man musst diesen besonderen Punkt treffen, an dem seine Musik nicht zu ähnlich klingt, aber auch nicht allzuweit vom Sound des Labels entfernt ist. Dixon, der Labelchef von Innervisions, hat mir mal gesagt: ‘Schau nicht auf das, was das Label bereits veröffentlicht hat, sondern auf das, was als Nächstes kommen könnte.’“

 

Diese drei Schritte führen natürlich nicht zwangsläufig dazu, dass man beim seinem Traum-Label tatsächlich landet. Gerade kleinere Labels haben oft nicht die Kapazitäten, sich um mehrere Newcomer gleichzeitig zu kümmern. Andere Labels bevorzugen Künstler, die schon einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Einen neuen Künstler aufzunehmen, ist mit Risiko verbunden, und wenn jemand bereits eine Fanbase hat, verkleinert dies das Risiko. Social Media spielt also eine wichtige Rolle für den Erfolg. Trotzdem: Es ist nicht immer ein Zahlenspiel.

 

„Social Media ist sehr wichtig geworden, aber ich denke, Authentizität und Kreativität zählen mittlerweile wieder mehr als Reichweite“, meint Mark Lawrence. Der frühere CEO der Association For Electronic Music hat viel Erfahrung im Musikbusiness und ist heute neben seinen Tätigkeiten als Publisher und Labelchef auch A&R bei Black Rock Records.

 

Für Lawrence spielen Algorithmen inzwischen eine größere Rolle bei der Risiko-Minimierung: Die Rolle des A&R-Managers hat sich im Laufe der Zeit verändert. „Die Algorithmen haben die Dinge verändert. Für vermeintlichen kommerziellen Erfolg orientiert man sich eher an den Daten als am menschlichen Instinkt, das kreative Risiko tritt in den Hintergrund“, sagt er. „Solche Glückstreffer sind seltener geworden – es sei denn, man hat viel Kraft und Mut.“

 

Selbst gute A&Rs müssen immer noch ein „Gespür für aktuelle und zukünftige Sounds haben“, so Lawrence, „und es auf die Musik von aktuellen und aufstrebenden Künstlern anwenden, um durch kreatives Risiko kommerziellen Erfolg zu erzielen“.

Mark Lawrence

Für Riggs Morales, Vice President of A&R und Artist Development bei Atlantic Records, bedeutet das, sich Liveshows von jedem potenziellen neuen Künstler anzuschauen. „Das ist sehr wichtig – ich muss herausfinden, ob jemand eine Crowd mit drei, hundert oder tausend Leuten unterhalten kann“, sagt er.

 

Sein Kollege Pete Ganbarg, EVP & Head of A&R bei Atlantic, stimmt ihm zu: „Am wichtigsten ist es, an einer starken Liveshow zu arbeiten.“

 

Aber wenn der A&R noch nie von einem gehört hat, hilft auch die beste Liveshow nicht – vor allem wenn man bei einem Major-Label wie Atlantic unterkommen willst. Wie macht man ein Label also auf sich aufmerksam? Das hängt davon ab, wen man mit seiner Musik erreichen willst.  

 

„Zuerst muss man herausfinden, wer die wichtigen Leute bei einem Label sind, und wie man sie kontaktieren kann“, meint Licini. „Dabei muss man sich nicht direkt mit dem Label-A&R anfreunden. Aber vielleicht sollte man auch keine E-Mail an die Standardadresse ‚demo@labelname.xyz‘ schicken. Wenn man die E-Mail-Adresse eines Label-Mitarbeiters herausfindet, ist das schon ein Vorteil“, fährt Licini fort.

 

„Natürlich gilt es auch, beim Adressaten Interesse zu wecken. Mit einer Copy/Paste-Mail an 30 verschiedene Labels gelingt das auf gar keinen Fall. Besser man schreibt eine Mail, die wirklich etwas aussagt. Respektvoll und gleichzeitig leidenschaftlich, eine Art Kurzgeschichte: Wer bin ich? Und warum finde ich das Label so toll? Die Party, auf der man die Musik des Labels zum ersten Mal gehört hat, sollte da zum Beispiel rein. So sorgt man dafür, dass die Mail nicht sofort im Papierkorb landet.“

 

Lawrence stimmt zu. „Ein gut recherchiertes Anschreiben an eine persönliche E-Mail-Adresse ohne zusätzliche CCs ist der Schlüssel – ganz individuell, aber auch im passenden Ton. Ein Demo zu schicken ist wie ein Vorstellungsgespräch via E-Mail – ohne die Möglichkeit, sich zu korrigieren.”  

 

Ungeachtet der Zahl an Demos, die bei Defected täglich eintrudeln, sagt Saunders: „Wir hören uns rund 90 % an.“ Sein Ratschlag: „Nicht ein Demo nach dem anderen schicken. Das machen viele – sie schicken mir ein Demo, ich höre es mir an, und schon kommt das zweite. Dann denke ich: Das erste Demo, das ich bekommen habe, war dem Gefühl des Künstlers nach wahrscheinlich sein bestes. Kommt dann gleich noch eins hinterher, kann ich nicht mehr einschätzen, was derjenige mir da gerade rüberschiebt. Künstler sollten es nicht übertreiben, sich Zeit lassen und auch unser Feedback ernst nehmen. Wenn wir sagen, warum ein Demo gerade nicht passt, meinen wir das ehrlich. Ob das nun der Sound ist, die Qualität einfach nicht stimmt, die Drums oder die Bassline geändert werden sollten. So ein Feedback sollte man sacken lassen und annehmen. Und nicht sofort weitere Tracks schicken.“

Und wie schickt man Demos am besten an die Labels? „Immer als Link zu einem Stream“, sagt Saunders, „mit Download-Option. Dabei ist es wichtig, dass die Tracks korrekt bezeichnet sind: mit Künstlername, Track-Name und E-Mail-Adresse im Titel des Tracks. Ich höre mir Demos oft unterwegs an. Und es ist ärgerlich, wenn ich nicht herausfinden kann, von wem es ist.“ Ein weiterer Tipp: Als DJ oder Performer sollte man die Musik immer zuerst live testen. „Und dabei auf die Reaktion der Crowd achten, bevor man sie an Labels schickt.“ Wenn gerade keine Gigs anstehen „kann man immer noch Kontakt zu DJs aufnehmen, von denen man denkt, dass sie die Tracks spielen würden. Sam Divine, Dennis Ferrer oder andere DJs – vollkommen egal. Wenn es Support gibt, ist das eine wichtige Info für uns.“

Major-Labels wie Sony, Universal oder Warner Music Group (zu der Atlantic gehört) nehmen jedoch keine Demos an – die Ratschläge von Saunders und Lawrence gelten also eher für den Umgang mit kleineren Indie-Labels. Für alle, die dennoch ein Major-Label ansprechen wollen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Universal verweist ungesignte Künstler beispielsweise an die digitale Vertriebsplattform Spinnup, die häufig von den Labels der Universal Music Group gescoutet wird. Aber es gibt noch einen weiteren Weg: Viralität.

 

Während Indie-Labels vielleicht auf die Authentizität Wert legen, scheuen die drei Major-Labels und ihre Ableger eher das Risiko. Einen viralen Star unter Vertrag zu nehmen, sichert (zumindest kurzfristig) Umsatz und Gewinn. Aber viral zu gehen bedeutet nicht für alle Künstler das gleiche – nicht jeder muss es wie Atlantics Bhad Bhabie tun (bekanntgeworden mit „Cash Me Outside“).

 

Billie Eilish ist ein gutes Beispiel – die 17-jährige Pop-Sensation hat Coachella schon hinter sich. Doch sie wurde vor allem durch die Viralität ihres ersten Songs „Ocean Eyes“ berühmt, den ihr Bruder Finneas O’Connell 2015 komponierte. Eilish nahm ihn ursprünglich für ihren Tanzlehrer auf, als Musik für eine Choreographie. Später lud sie „Ocean Eyes“ auf SoundCloud hoch, ohne sich viel dabei zu denken. Der Track explodierte förmlich – zuerst bei Hillydilly, der Webseite für Neuentdeckungen, wo er inzwischen 17,5 Millionen Mal gespielt wurde. Kurz darauf meldete sich Interscope Records (Teil der Universal Music Group) bei Eilish und veröffentlichte das Stück im November 2016 weltweit. Die Musikpresse war sofort davon angetan, auch Chris DeVille von Stereogum, der damals sagte: „Gut möglich, dass das ein Riesenhit wird.“ Wie richtig er mit dieser Einschätzung lag! Eilishs Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ sammelte 800.000 Pre-Adds bei Apple Music ein – ein absoluter Rekord. Damit war Billie Eilish die erste in diesem Jahrtausend geborene Künstlerin mit einem Nummer-1-Album.

Weil es solche Erfolgsgeschichten allerdings nur ganz selten gibt, führt der Weg zu einem Major-Label oft über kleinere Labels, die dem Risiko weniger abgeneigt sind. „Die Majors greifen gerne auf ein Netzwerk von Indie-Labels, Managern und Trendsettern zurück, das ihnen Tracks und Künstler zeigt, die bereits für Furore sorgen. Kleinere Labels hingegen sind eher bereit, mit neuen Künstlern und Stilrichtungen ein Risiko einzugehen“, so Lawrence.

 

An diesem Punkt kommt nochmal Licinis Ratschlag ins Spiel: sich informieren, die Labels finden, die die Majors auf dem Zettel haben und dann E-Mails schicken.

Bei einem Label dann wirklich zu unterschreiben, ist mit anderen Herausforderungen verbunden. Sobald der Vertrag vorliegt, gilt es auf viele Dinge zu achten: „Zum Beispiel niedrige Tantiemen-Anteile. Hohe Kosten, die von deinen Tantiemen abgezogen werden. Oder versteckte Publishing-Klauseln. Oder ein Audit-Verbot“, sagt Lawrence. „Im Zweifelsfall sollte man sich immer beraten lassen – von erfahrenen Künstlern, dem eigenen Verlag, vom Management oder einem Anwalt.“  

 

Mit diesen Tipps sollte der Sprung über die Schlucht gelingen – wir wünschen viel Glück und Erfolg!

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